Wo steht das Startup-Land NRW?

Wenn man vom subjektiven Eindruck ausgeht, gibt es eine durchaus positive Entwicklung der Startup- und Finanzierungslandschaft in NRW. Bei Veranstaltungen sieht man qualitativ hervorragende NRW-Startups, auch in den Zukunftsbranchen wie Medizin, Klima und Umwelt, KI und Cyber-Sicherheit. Es gibt zahlreiche Gründungs-Unterstützungsinitiativen, Pitch-Veranstaltungen und auch einige neue VC-Fonds wie zum Beispiel den Dortmunder „VORN“ und die Neuauflage des Gründerfonds Ruhr sowie dessen Ergänzung um 10 Mio. durch die RAG Stiftung. Die von der BAAR-Schwesterorganisation „pro Ruhrgebiet“ organisierten Businessplan Wettbewerbe KUER (Klima, Umwelt, Energie, Ressourcenschonung) und AXOLOTL können in 2025 erneut mit steigenden Bewerberzahlen und technologisch anspruchsvollen Geschäftsideen punkten. Last not least hat die NRW.BANK mit NRW.SeedCap und NRW.SeedCon attraktive, gut dotierte Programme aufgelegt.

Betrachtet man die nackten Zahlen, die ziemlich zuverlässig beim Startupdetector nachzulesen sind, muss man diesen subjektiven Eindruck aber zumindest relativieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn man sich anders als es die NRW-Politik gerne tut, nicht auf die reinen Größenordnungen bezieht, bei denen NRW nicht so schlecht steht, weil es das weitaus größte Bundesland ist, sondern die Daten mit der Einwohnerzahl ins Verhältnis setzt.

Das Dashboard des „startupdetektors“ hat jetzt die Daten für 2024 bis hinunter zur Kreisebene ermittelt. Danach hatte NRW im Jahr 2024 505 Neugründungen, was pro 100.000 Einwohner 2,8 Gründungen ausmacht. Im Ländervergleich liegt NRW damit an siebter Stelle. Selbst wenn man von den davor liegenden Stadtstaaten absieht, ist NRW deutlich schlechter als Bayern (4,1), aber auch als Baden-Württemberg und Hessen (beide 3,1.) Zu beachten ist zudem, dass NRW angesichts der starken Einwohneragglomeration im Rhein-Ruhr Gebiet unter demografischen Aspekten deutlich weiter vorne liegen müsste.

Das Spiel wiederholt sich bei der Dichte der Business Angels und der Zahl der Finanzierungsrunden. Mit 889 Business Angels, das sind4,9 auf 100.000 Einwohnern weist NRW nicht einmal ein Viertel der Berliner Dichte (22,4) auf, aber auch nur die Hälfte der bayerischen (9,4) und mehr als 50% weniger als Hessen (8, 7). Bei den Finanzierungsrunden überragt Berlin mit 11,9 pro 100.000 Einwohnern vor Hamburg mit 6,9, während Bayern mit 2,9 schon stark abfällt. In NRW fanden 1,3 Runden pro 100.000 Einwohner statt, was einen Platz nach Hessen (1,9) und gleichauf mit Sachsen und knapp vor Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg (jeweils 1,2) bedeutet.

Noch etwas ist bedenklich. Die Zahl der Finanzierungsrunden in NRW ist 2024 wieder auf dem Stand von 2020 (mit 233 gegenüber 247 sogar noch etwas geringer), nachdem in den drei Jahren dazwischen deutlich höhere Zahlen festzustellen waren.

Mit dieser Auswertung soll nicht schwarzgemalt werden, denn NRW musste aus einem tiefen Tal der Startup-Gründungen und deren Finanzierung aufsteigen. Zur Beruhigung gibt es allerdings auch keinen Anlass. Vielmehr sind die Daten ein Weckruf für die NRW-Politik nicht nur an die Arbeitsplätze von heute in der Großindustrie zu denken, sondern noch mehr an die Volkswirtschaft der Zukunft, die durch Startups in innovativen Branchen repräsentiert wird. Vor allem brauchen wir auch viel mehr aktive Business Angels. Das Potential ist angesichts der industriellen und wirtschaftlichen Basis vorhanden.